Die Fee in der deutschen Literatur des 13. bis 15. Jahrhunderts

Catrinel Berindei

(Univ. Würzburg)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2018

Zwischen dem Ende des 13. und dem ausgehenden 15. Jahrhundert entsteht in der deutschen Literatur eine kleine Anzahl von narrativen Texten, die von der Forschung als Feengeschichten oder auch als Erzählungen nach dem Schema der ‚gestörten Mahrtenehe‘ bezeichnet werden. Sie handeln allesamt von der Liebe eines Menschen zu einer durch unterschiedliche Aspekte als ‚wundersam‘ gekennzeichneten Frau, einer ‚Fee‘ im weiteren Sinne. Diese Liebe ist jeweils an eine unkonventionelle, jedem Text eigene und potentiell magische Bedingung geknüpft, die dann im Verlauf der Handlung durch den männlichen Protagonisten gebrochen wird. Eine Trennung der beiden Liebenden ist die Folge.
Dieses Narrativ stellt kein genuin deutsches Phänomen dar, sondern ist fest in vielen europäischen und außereuropäischen Kulturen verankert. Einen besonderen Einfluss auf die deutsche Literatur lässt sich in der Romania ausmachen, in der Texte mit dieser Thematik schon früher und vermehrt nachweisbar sind. Die deutschen Autoren beschreiten in der Ausgestaltung dieses Narrativs jedoch eigene Wege, weshalb sich das Dissertationsprojekt ausschließlich den deutschen Texten widmet. Zu den mittelalterlichen deutschen Feengeschichten werden Konrads von Würzburg ‚Partonopier und Meliur‘, die anonym überlieferten Texte ‚Der Ritter von Staufenberg‘, der ‚Friedrich von Schwaben‘ und ‚Die Königin vom brennenden See‘, außerdem Thürings von Ringoltingen Prosaroman ‚Melusine‘ sowie der ‚Seifrid‘ aus Ulrich Fuetrers ‚Buch der Abenteuer‘ gezählt. Die Gemeinsamkeit der in ihrer formalen Gestaltung sehr unterschiedlichen Texte – umfangreiche Romane neben knappen Erzählungen, fortlaufende Reimpaarverse und Strophen neben Prosa – konstituiert sich somit ausschließlich in ihrem Handlungskern bzw. genauer in der Konzeption ihrer weiblichen Hauptfiguren.
Schon allein die Bezeichnungen ‚Feengeschichten‘ oder ‚Mahrtenehenerzählungen‘ rücken die Protagonistinnen in den Mittelpunkt der Texte. Dabei identifiziert die Forschung diese Frauenfiguren einhellig als Feen – wenn auch als depotenzierte –, obwohl sie in den mittelalterlichen Texten weder explizit als feine, feye o. ä. bezeichnet sind noch feenspezifische Attribute wie Zauberkräfte oder magische Artefakte besitzen. Dass in ihnen jedoch eine besondere Konzeption von Weiblichkeit konstruiert wird, die sich auch von der ‚echten‘, zauberkundigen Fee der höfischen Klassik unterscheidet, drängt sich auf. Die Frage nach der narrativen Strategie, die dazu führt, dass die Feenfiguren außerdem, je genauer man sie betrachtet, umso verschwommenere Konturen zu bekommen scheinen, ist Gegenstand des Dissertationsprojektes.
Wie alle literarischen Figuren sind auch die Protagonistinnen der Feengeschichten von den verschiedensten Diskursen überlagert. So unterscheiden sie sich von anderen literarischen höfischen Frauenfiguren dieser Zeit einerseits dadurch, dass sie sich über soziale Konventionen hinwegsetzen, indem sie frei über ihr Vermögen und auch in sexueller Hinsicht über ihren Körper verfügen können und so gegen gängige Gendervorstellungen, Ehemodelle oder auch die Sexualmoral verstoßen. Andererseits weisen sie körperliche Anomalien, wie eine (fluchbedingte) zeitweise tierische Gestalt, auf, gehören potentiell anderweltlichen Räumen an, sind an ein ungewöhnliches Tabu gebunden, etc. Eine narratologische Mehrebenenanalyse der Aspekte Körper, soziale Rolle, Raum und Tabu bildet den Hauptteil der Arbeit.