Wege zur Autorschaft. Autordiskurse in der deutschen und lateinischen Literatur vom 9. bis 12. Jahrhundert

Klaus Kipf

(LMU München)

Status: Habilitation, geplanter Abschluss: 2019

https://www.germanistik.uni-muenchen.de/personal/ndl/privatdozenten/kipf/index.html

In ahd. Zeit ist die namentliche Nennung von Autoren eine seltene Ausnahme in nahezu verschwindender Minderzahl. Die Anonymität ist für die kleineren Dichtungen und Zeugnisse aus dieser Zeit der bei weitem überwiegende Normalfall. Neben Otfrid von Weißenburg sind aus der Zeit vor dem Abbruch einer Tradition volkssprachiger Schriftlichkeit im 10. Jahrhundert und ihrem Neueinsatz im 11. Jahrhundert allenfalls indirekte Zeugnisse volkssprachiger Autorschaft überliefert. Nach dem Wiedereinsetzen vermehren sich die Zeugnisse von Autornennungen jedoch rasch und in einer Vielfalt, die Christian Kiening veranlassen, sie den „Frühformen literarischer Theoriebildung“ in der deutschen Literatur einzuordnen. Die frühen Zeugnisse nach dem Wiedereinsetzen stehen – ähnlich wie Otfrid – ganz im Kontext lateinischer Schriftlichkeit. Diskurse über Autorschaft besitzen in der Volkssprache bis ins 11. Jahrhundert keine literaturgeschichtliche Kontinuität, beziehen sich nicht aufeinander, sondern greifen je neu auf Möglichkeiten und Vorbilder der lat. Schriftkultur des Mittelalters zurück, die ihrerseits aus Antike und Bibel schöpft. Diesen Thesaurus an Diskursangeboten und -möglichkeiten wird die Habilitationsschrift umschreiben. Im 12. Jahrhundert entsteht erstmals eine (von Monika Unzeitig aufgezeigte) Diskurstradition der Autorschaft in der Volkssprache, da sich Texte deutscher Sprache erstmals erkennbar aufeinander beziehen und bezüglich der Möglichkeiten, Autorschaft zu thematisieren, in Ansätzen eine eigene Topik bilden, allerdings unter stetem Rückgriff auf antike und biblische Traditionen. An diese volkssprachige Tradition, die sich in frmhd. Zeit ausbildet, knüpft die von der Rezeption romanischer Gattungen geprägte höfische Literaturepoche an und transformiert sie kreativ in zuvor unerhörte Formen.
Die Arbeit wird eine Diskursgeschichte mittelalterlicher Autorschaft in lateinischer und deutscher Sprache von deren Anfängen bis zum 12. Jahrhundert bieten und diese einordnen in den Institutionalisierungsprozess mittelalterlicher volkssprachiger Literatur, den langsamen „Prozess der Buchwerdung“ (Stefan Sonderegger) der deutschen Volkssprache. Explizite Aussagen über Autorschaft finden wir in dieser semi-oralen, zweisprachigen Kultur vor allem dort, wo der Prozess der Buchwerdung weit fortgeschritten ist und dort, wo Autoren bestrebt sind, der deutschen Sprache einen ähnlichen Rang wie der lateinischen zuzuerkennen.