Gleiches zu Gleichem. Figurenähnlichkeit in der späthöfischen Epik (Flore und Blanscheflur, Engelhard, Barlaam und Josaphat, Wilhalm von Wenden)

Felix Urban

(Univ. Heidelberg)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2020

Die These, dass Gleiches sich gerne zu Gleichem geselle, ist so alt wie das Nachdenken über menschliche Beziehungen selbst. Diesen Zusammenhang von Ähnlichkeit und Zuneigung und seine kultur- und insbesondere literaturhistorische Bedeutung beschreibt die vorliegende germanistische Dissertationsschrift mit Blick auf die Zeit des Hochmittelalters: Während die Vorstellung der ‚Homophilie‘ (der Liebe zum Gleichen) in der höfischen Literatur des Feudaladels bis etwa 1200 meist als implizit vorausgesetzte Basiskonfiguration des Erzählens von Zuneigung begegnet – der Beste ist für die Schönste und für den Besten bestimmt, Adel liebt Adel und die Gleichheit des (christlichen) Glaubens ist ohnehin die Voraussetzung jeder Beziehung –, beginnt die Literatur des 13. Jahrhunderts damit, die Bedingungen dieser Regeln zu reflektieren und mit ihren Konsequenzen zu experimentieren.

Der erste Teil des Buchs (Ähnlichkeit denken) rekonstruiert mit Blick auf das mittelalterliche Nachdenken über die Stellung des Menschen im Kosmos, über Freundschaft, ‚heterosexuelle‘ Liebe, Verwandtschaft und Genealogie einen umfangreichen Ähnlichkeitsdiskurs, der theologische Schriften, Traktate, Ikonographie, naturkundliche Abhandlungen und literarische Texte umfasst. Auf dieser Basis werden im zweiten Teil (Ähnlichkeit erzählen) vornehmlich vier Romane des 13. Jahrhunderts analysiert, in denen Ähnlichkeit ein zentrales Mittel und Gegenstand des Erzählens darstellt: Konrad Flecks ‚Flore und Blanscheflur‘, Rudolfs von Ems ‚Barlaam und Josaphat‘, Konrads von Würzburg ‚Engelhard‘ und Ulrichs von Etzenbach ‚Wilhalm von Wenden‘. Bei aller Verschiedenheit im Einzelnen ergeben sich doch mindestens zwei zentrale Tendenzen des mittelalterlichen Erzählens von Ähnlichkeit: Wer sich ähnelt, fühlt sich nicht nur auf natürliche Weise zueinander hingezogen – zugleich kommt, erstens, ein Prozess der weiteren Entdifferenzierung in Gang, der, zweitens, immer wieder religiös überhöht wird: Ähnlichkeit und Angleichung sind im Mittelalter auch Zeichen von Gottesnähe. Woher diese Vorstellungen kommen, wie sie narrativ umgesetzt werden und was sie für die einzelnen Romane bedeuten, zeichnet die Arbeit in den Einzelanalysen nach und bietet zugleich regelmäßig Ausblicke auf weitere literarische Inszenierungen von Ähnlichkeit.