Die 'decem gradus amoris' des Helwicus Theutonicus und ihre deutschsprachige Rezeption im ausgehenden Mittelalter

Katrin Janz-Wenig

(Univ. Würzburg)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss:

Eine der im hohen und späten Mittelalter am breitesten rezipierten und überlieferten Textsorten vor allem in lateinischer Sprache, aber auch in den Volkssprachen, ist zweifellos die Predigt. Indes steht die Erforschung dieser Textsorte, insbesondere auch aus komparatistischer Sicht, im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Überlieferungshäufigkeit.
Ziel der hier vorgelegten Studie ist es daher, einige in der germanistischen Forschung zwar bereits wahrgenommene, aber größtenteils nicht edierte volkssprachliche Predigten, in denen zehn Grade der Liebe als stufenweisen Aufstieg der Seele zu Gott dargestellt werden, erstmals vollständig in ausführlich kommentierten Editionen vorzulegen und den Grad sowie die Art ihrer Abhängigkeit von den lateinischen Vorlagen zu untersuchen.
Als Quelle der volkssprachlichen Texte galt bislang die Abhandlung über die Decem gradus amoris, aus dem lange fälschlicherweise Thomas von Aquin zugeschriebenen Traktat De dilectione Dei et proximi, als dessen Urheber mittlerweile der Straßburger Dominikanerprior Helwicus Theutonicus (gest. 1263) angesehen wird. Die Decem gradus amoris gehen in einer gekürzten und umgearbeiteten Form in eine Predigt der sogenannten und im Spätmittelalter außerordentlich weit verbreiteten Predigtsammlung namens Sermones Socci ein. Der lateinische Sermo wiederum stellt die wesentliche Quelle der insgesamt fünf volkssprachlichen Texte dar: Predigt von der Minne zu Gott, Doppelpredigt aus den Engelberger Predigten, Predigt von den zehn Graden der Liebe sowie der mittelniederländischen Abhandlung zu den X trapkijns vander mynnen und des im Rahmen von Spruchsammlungen tradierten Abschnittes der Staffel göttlicher Lieb im sog. Gebetbuch I für Frau Elisabeth Ebran.
Vorgelegt werden quellenkritische Ausgaben der entsprechenden lateinischen und volkssprachlichen Texte. Darüber hinaus wird der überlieferungsgeschichtliche Zusammenhang herausarbeitet, in den die volkssprachlichen Texte einzuordnen sind. Hiermit vermittelt die Untersuchung auch wegen ihres interdisziplinären Blickwinkels eine philologische und methodische Basis für die dringend notwendige weitere Erforschung und die Beschäftigung mit der spätmittelalterlichen Predigt- und Frömmigkeitsgeschichte.