Elemente grotesken Erzählens in der europäischen Versnovellistik

Reinhard Berron

(Univ. Tübingen)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2016

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In Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur zum Grotesken wurden am Beispiel der mittelhochdeutschen "Mären" Techniken des grotesken Erzählens herausgearbeitet und dessen Verwendungsweise in der europäischen (Vers-)Novellistik (Fabliaux, Juan Ruiz ‚El libro de buen amor‘, Don Juan Manuel: ‚El Conde Lucanor‘, ‚Il Novellino‘, Giovanni Boccaccio: ‚Decamerone‘ und Cantari) nachgeprüft.

Im ersten Teil findet eine Auseinandersetzung mit Groteske- und Komikkonzeptionen statt und der Groteskebegriff wird näher eingegrenzt. Im zweiten Teil geht es darum zu zeigen, dass groteske Elemente durchaus nicht nur in der neuzeitlichen Literatur auftreten, und auch nicht nur in der mittelalterlichen, sondern bereits in der antiken Literatur. Im dritten Teil steht die Textanalyse im Mittelpunkt. Dabei folgt die Anordnung den einzelsprachlichen Erscheinungsformen der Versnovellistik, – diese wird jedoch vielfach durchbrochen, nämlich dann, wenn ein bestimmter Stoff oder ein Motiv in mehreren Literaturen auftritt. So werden im Kapitel zu den Mären bereits viele Fabliaux, Novellen und Exempel mitbesprochen.

Die europäische Novellistik erlebte in jedem Sprachraum ihren eigenen Höhepunkt. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden mit Fabliaux und Novas die ersten Versnovellen gedichtet. Nicht viel später, also um 1220, werden das Schaffen des Strickers und damit die Anfänge der deutschen Märendichtung eingesetzt haben. In der ältesten Stricker-Handschrift werden neben Bispeln, Fabeln und Mären des Strickers auch bereits einige anonyme Schwankmären überliefert. Im iberischen und italienischen Sprachraum dagegen wurde zumeist sowohl an der Prosaform als auch am Sammlungscharakter des lateinischen Pionierwerkes der Novellistik, der ‚Disciplina Clericalis‘, festgehalten. Die Novellistik setzt hier später ein; so wird der ‚Novellino‘ auf etwa 1280 datiert; um 1350 erschien Boccaccios ‚Decameron‘. Etwa zur gleichen Zeit entstanden auch Juan Ruiz‘ ‚El libro de buen amor‘ und der ‚Conde Lucanor‘ des Don Juan Manuel. Ihre geschlossenen Werkstrukturen und deutlich hervortretenden Erzählerfiguren korrespondieren mit der Überlieferung ihrer Werke als Ganzes und mit der Bewahrung des Autornamens. Eine wie Mären und Fabliaux in Einzeltexten überlieferte und in gebundener Form verfasste Gattung stellen dagegen die italienischen Cantari dar, deren Überlieferung ebenfalls im 14. Jahrhundert einsetzt.