Kölner Pilgerdrucke um 1500. Stadtheiligkeit als literarisches Programm im Spannungsfeld von Narration, Raum und Objekt

Daniel Eder

(Univ. Göttingen)

Status: Habilitation, geplanter Abschluss: 2021

Das Projekt geht von der der immer noch klärungsbedürftigen Frage aus, was unter dem in der Forschung als Schlagwort so prominenten ,legendarischen Erzählen‘ zu verstehen ist, gerade wenn damit eine substanziell spezifische Art des Erzählens, die sich von anderen Formen unterscheidet, gemeint sein sollte. Gegenstand der Untersuchung sind die volkssprachlichen Kölner Pilgerdrucke aus der Zeit um 1500, die die Legendenerzählungen der einschlägigen städtischen Patrone in ripuarisch gefärbtem Idiom darbieten (Hl. Drei Könige, Ursula und ihre elftausend Jungfrauen, Irmgard) und allgemein nicht als ausgesprochen literarisch hochwertig erachtet werden. An ihnen lässt sich jedoch – über das Erzählprogramm von Stadtheiligkeit – ein besonders enger Verweiszusammenhang von Narration, Raumbedeutung und Objektprofilierung (z.B. in Form von Reliquien) demonstrieren, der die ,Realpräsenz des Heils‘ nicht nur einfach absichern hilft, sondern geradezu erst hervorbringt. Dabei kommt es einerseits zu sehr stabilen gegenseitigen Geltungsbestätigungen von Erzählmotiven, spatialen Settings und materiellen Heilsträgern, die sich zirkulär Authentizität garantieren, andererseits – das zeigt ein genauerer Blick – erschöpft sich das Genre des Pilgerbuchs nicht einfach in solchen Gebrauchszusammenhängen und Verfahren sozio-kultureller Bedeutungseinschreibung. Vielmehr produzieren die Texte auch einen semantischen Überschuss, indem sie ambivalente Deutungsmöglichkeiten von Räumen und Objekten provozieren, mehrere Codierungsebenen amalgamieren oder zu imaginativer Auffüllung einladende Leerstellen aufweisen. In dieser Konstellation lässt sich für die Pilgerbücher ein Grad von Literarizität nachweisen, der für übergreifende Konzepte vom ,legendarischen Erzählen‘ noch stärker mit zu berücksichtigen wäre.