Susanne Knaeble
(Univ. Bayreuth)
Status: Habilitation, geplanter Abschluss: 2016
Eine der grundlegenden Errungenschaften der Moderne ist die ergebnisoffene Zukunft – dieses emphatische Postulat bestimmt seit langer Zeit die Forschung und verdeckt die Sicht auf vormoderne Zukunftsentwürfe. Demgegenüber wird das Projekt in der Untersuchung von frühen deutschsprachigen Prosaromanen des 15. und 16. Jahrhunderts zeigen, dass in diesen Texten bereits offene Zukunftsvorstellungen verhandelt werden.
Während in den mittelhochdeutschen Epen und Romanen Zeitvorstellungen dominieren, die vor allem
genealogischen und heilsgeschichtlichen Denkschemata verpflichtet sind, und auch die Figuren im modernen Sinn des Wortes keine Zukunft haben, ändert sich das in den erzählenden Texten der Frühen Neuzeit grundsätzlich. Die Untersuchung der Erzählweisen, mit welchen Zukunft als offen gedachte Zeitdimension
entworfen wird, fokussiert dieses neue Verständnis von Zukunft. Das Projekt nimmt Zukunft als Teil von
Zeitvorstellungen nicht nur, wie in der bisherigen Forschung, hinsichtlich ihrer soziokulturellen Situierung in den Blick. Vielmehr soll auch die Ordnungsfunktion von Zeit für das literarische Erzählen untersucht werden. In ersten Vorarbeiten konnte zudem ein neuer Zusammenhang beobachtet werden: Die Figuren werden aktiv im
Hinblick auf die Zukunft. Ihre Überlegungen, Pläne und Kalkulationen werden in den Texten als Handlungsmotivationen beobachtbar, die eng mit der Darstellung von Emotionen verknüpft sind. Die Analyse der narrativen Inszenierung dieses Zusammenhangs wird zeigen, wie in den frühen Prosaromanen sowohl Reflexionen als auch Emotionen an der Zukunftsgestaltung beteiligt sind.