Zum Kunstbegriff des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Aspekte ästhetischer Praxis "vor dem Zeitalter der Kunst"

Stefanie Krinninger

(AdW zu Göttingen)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2019

Einem verbreiteten Vorurteil zufolge, das auch heute noch, nicht nur in mediävistischen und frühneuzeitlichen kunst- und literaturwissenschaftlichen Analysen als erkenntnisleitend Geltung beansprucht, geht man davon aus, dass „es einen Begriff von Kunst in Antike, Mittelalter und früher Neuzeit nicht gibt“ (Ullrich 2001: 571). Dieses beruht jedoch zumeist auf einem einschränkenden ästhetischen Verständnis von ‚kunst‘ als ‚schöne Kunst‘, und damit auf einer Projektion heutiger Werte und Vorstellungen.
Meine korpuslinguistische, auf dem Korpus des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs (ca. 400.000 Seiten umfassendes Korpus mit Textquellen sämtlicher Textsorten, was meine Studie von allen bisherigen Ansätzen auf diesem Gebiet unterscheidet) basierende Untersuchung soll anhand der lexikographischen Analyse des Ausdrucks ‚kunst‘ und seines Wortfeldes zeigen, dass dieser im untersuchten Zeitraum (ca. 1350–1650) keinesfalls nur auf seine außer-ästhetischen Komponenten und Zwecksetzungen beschränkt werden darf, auf die er für die Vormoderne so oft reduziert wird. Im Sinne eines „kontrollierten Anachronismus“ (Loraux 1993; von Moos 1998), der die Alterität mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Gesellschaften nicht ausblendet, zum anderen aber die Existenz von Formen ästhetischer Autonomisierung nicht von vornherein ausschließt, wird meine Arbeit den Blick für (Kunst-)Diskurse und Diskursformationen öffnen, die anderweitig verborgen bleiben. Anhand ausgewählter Passagen aus dem untersuchten Korpus werden Reflexionen über ‘kunst‘ und als ‚kunst‘ bezeichnete Objekte zudem näher vorgestellt und mit ihnen Signifikationsprozesse und Bedeutungs-konstruktion diskutiert.