Natalie Ann Mlynarski
(Univ. Potsdam)
Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2022
Der Stoff um die Teufelsfigur Bruder Rausch (mnd. Broder Russche, ndl. Broeder Russche, engl. Friar Rush, dän. und schwed. Broder Ruus) wird vom 13. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert mit Ausnahme eines handschriftlichen, geistlichen Exempels in zahlreichen Drucken tradiert. Trotz der europäischen Erfolgsgeschichte des schalkhaft agierenden Teufels Rausch, die sich in der hohen Anzahl von Drucken im deutsch-, niederländisch-, englisch-, dänisch- und schwedischsprachigen Raum widerspiegelt, ist das Textkorpus in der mediävistischen Forschung bislang nur marginal berücksichtigt worden. Aufgrund dessen nimmt sich das Dissertationsprojekt zum Ziel, das gesamte Textkorpus um die Teufelsfigur erstmals im Verbund zu betrachten, um die Transformation des Stoffes innerhalb seiner umfassenden Überlieferung zu untersuchen. Da der Stoff bis ins 16. Jahrhundert zunehmend schwankromanartige Züge annimmt, soll das Projekt außerdem klären, warum der Bruder Rausch in die Erzähl-, Motiv- und drucktypographische Tradition des Schwankromans gerückt wird, allerdings am Zenit seiner Transformation im 17. Jahrhundert in England durch Thomas Dekker dramatisiert und im reformierten skandinavischen Raum sogar als propagandistische Schrift gegen den Katholizismus verbreitet wird. Der Stoff scheint durch seine Fähigkeit zur konstanten Anpassung und Eingliederung in unterschiedlichste kulturelle Kontexte ein großes transgenerisches Potential aufzuweisen, das das Dissertationsprojekt erschließen und erklären möchte.
In einem ersten Teil wird hierfür die Überlieferung des Stoffs nachgezeichnet, um sodann in einem zweiten Teil die Charakteristika aufzuarbeiten, die Text-Bild-Ebenen sowie die jeweiligen Bearbeitungstendenzen der einzelnen Drucke unter Bezugnahme auf ihre kulturellen und literarischen Milieus aufweisen. Die Textzeugnisse werden dazu anhand von Themenkomplexen untersucht, die Aufschluss über die Figurengestaltung, die Erzählstruktur und die damit zusammenhängende Komik schwankhaften (oder dramatischen) Erzählens geben sollen. Punktuell werden außerdem neben dem spätmittelalterlichen Teufelsdiskurs kulturhistorische, theologische, konfessionelle, mythologische und legendarische Diskurse berücksichtigt. Im Rahmen eines Fazits soll die Zugehörigkeit des Bruders Rausch zur Gattung der Schwankromane präzisiert werden, von der in der Forschungsliteratur seit Werner Röckes einflussreicher Monographie „Die Freude am Bösen“ ausgegangen wird.