Christian Buhr, Astrid Lembke, Michael Ott
(Univ. Würzburg, FU Berlin, Univ. Heidelberg)
Status: Sonstiges Projekt, geplanter Abschluss: 2019
Erzählungen vom vorbildhaften Leben eines oder einer Heiligen stehen von der Spätantike bis zur Reformation im Zentrum abendländischer Literatur. Das lässt sich besonders am Beispiel Georgslegende zeigen, die nicht allein in diversen lateinischen Fassungen überliefert, sondern in der Zeit zwischen 900 und 1600 n. Chr. auch wiederholt in deutscher Sprache bearbeitet und aktualisiert wurde. Im Zentrum der volkssprachigen Tradition steht der "Heilige Georg" des Reinbot von Durne – ein um 1240 im Auftrag Ottos II. von Bayern verfasster höfischer Legendenroman, dessen 6134 Verse die heroische Vorgeschichte des Heiligen, seine Konfrontation mit den Repräsentanten des Römischen Reichs und schließlich sein langes Martyrium exponieren. Literatur- und kulturwissenschaftlich bedeutsam ist dieser Text wegen seiner historischen Stellung im Kontext des hochmittelalterlichen Kreuzzugsdiskurses einerseits und der Exkommunikation Ottos. II. von Bayern in Folge der Verheiratung seiner Tochter Elisabeth mit Konrad IV. von Staufen andererseits. Zugleich lässt sich in Reinbots Heiligem Georg ein
spannender Versuch erkennen, die aus dem Willehalm Wolframs von Eschenbach übernommene Ästhetik höfischer Epik auf einen Gegenstand der Hagiographie zu übertragen.
Der Entwurf des Reinbot von Durne, der neben drei vollständigen Handschriften und sechs Fragmenten aus der Zeit von 1275 bis 1446 auch zwei Prosa-Bearbeitungen und ein lateinisches Exzerpt hervorgebracht hat, ist aktuell nur in einer 1907 von Carl von Kraus besorgten und heute längst vergriffenen kritischen Ausgabe zugänglich. Der mittelhochdeutsche Text ist stellenweise durchaus sperrig und setzt mitunter Kenntnisse des religiösen, historisch-politischen und naturkundlichen Wissens voraus. Eine adäquate Übersetzung stellt daher ebenso ein Desiderat der Mediävistik dar wie ein sachdienlicher Kommentar und eine präzise Einordnung in den Kontext mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Georgsdichtung.
Die gemeinsam mit WissenschaftlerInnen aus Berlin (Prof. Dr. Astrid Lembke) und Heidelberg (Dr. Michael R. Ott) konzipierte und vorbereitete Ausgabe wird diesen Mangel beheben. Dazu werden wir den mittelhochdeutschen Text nach der Edition von Carl von Kraus in kritischer Überarbeitung präsentieren und mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Übersetzung versehen. Mithilfe eines Stellenkommentars werden in den Primärtext eingelassene intertextuelle Referenzen, historische Bezugnahmen, religiöse Vorstellungen und kulturelle Praktiken erläutert.