Konstellationen zwischen Walther von der Vogelweide und der lateinischen Literatur um 1200

Daniel Pachurka

(Ruhr-Universität Bochum)

Status: Habilitation, geplanter Abschluss: 2023

http://staff.germanistik.rub.de/pachurka/forschung/

Es ist davon auszugehen, dass die lateinische Literatur als größte Literatur im vormodernen Europa auf Walthers Texte eine Wirkung ausübte und umgekehrt. Für die politischen Sangsprüche Walthers auf der einen Seite und lateinische politische Gedichte auf der anderen geht Franz Josef Worstbrock davon aus, dass sie zwei getrennten Sphären angehören, die „zu Konstellationen und Kontexten literarischen Lebens zusammen[treten]“ und „das literarhistorische Ganze [bilden]“ (Worstbrock, Franz Josef: Politische Sangsprüche Walthers im Umfeld lateinischer Dichtung seiner Zeit. In: Kraß, A./ Köbele, S. (Hgg.): Ausgewählte Schriften I, Stuttgart 2004, S. 39-60, hier: S. 59). Worstbrock hat hier freilich nur einen Ausschnitt aus Walthers Gesamtwerk behandelt, aus dem sich ein Parameter für das Vorhaben ableiten lässt: Die Trennschärfe der literarischen Sphären gilt es für Walthers Texte neu zu überprüfen und seine Auseinandersetzung mit der latinitas, ggf. über die politischen Sangsprüche hinaus, neu zu bestimmen. 

In der Forschung gilt die communis opinio, dass Walther über lateinische Bildung und eine weitreichende literarische Kenntnis verfügt. Er erschließt der deutschen Literatur damit neue Bereiche, leistet neue Kontextualisierungen und entwickelt eigene Konzepte, die alle gemeinsam in den Konstellationen mit der Latinität deutlicher und verständlicher werden. Einen Ausgangspunkt des Vorhabens bildet daher die Annahme einer relativen Einheit der literarischen Sphären: Lateinische und deutsche Texte arbeiten in bzw. an denselben Fragen und positionieren sich zu denselben Problemlagen, wodurch sie in wechselnde Spannungs- oder Konvergenz- und Differenzverhältnisse geraten. Das Vorhaben zielt insgesamt darauf, in Verbindung mit der lateinischen Literatur eine facettenreichere Interpretation der Texte Walthers zu gewinnen und für diese den Anschluss an die europäisch-lateinische Ebene zu erarbeiten.