Christine Putzo
(Université de Lausanne)
Status: Dissertation, geplanter Abschluss:
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Der mittelhochdeutsche Roman ‚Flore und Blanscheflur‘, nur durch Angaben Rudolfs von Ems mit dem Namen eines ansonsten unbekannten Autors Konrad Fleck verbunden, erfreut sich in der germanistischen Mediävistik etwa seit Mitte der 1990er Jahre zunehmender Beliebtheit. Davor aber lag nahezu ein ganzes Jahrhundert, das 20., in dem das Fach den schwierig überlieferten, gattungsgeschichtlich problematischen und poetisch ungewöhnlichen Roman kaum beachtete. Die besonderen Probleme des ‚Flore‘ können eine so distanzierte Position kaum erklären – viel eher dürfte sie ihre Ursache darin haben, wie das 19. Jahrhundert diese Probleme teils ungelöst hinterlassen, teils effektiv verdeckt hatte. Eine mit der Neuedition verbundene umfangreiche Untersuchung wertet die vorliegenden Daten zu ‚Flore und Blanscheflur‘ grundlegend neu aus und recherchiert weitere. Nahezu alle aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ungeprüft transportierten Handbuchangaben zu Roman und Autor – Datierung, Lokalisierung, Gattungszuordnung, intertextuelle Verbindungen – erweisen sich als ungesichert und fragwürdig. Die Untersuchung zeigt wissenschaftsgeschichtliche Konflikte auf, die zur Entstehung und Kodifizierung solcher Angaben führten und unterbreitet Neuvorschläge, unter denen vor allem der Hinweis auf die – nicht zu belegende, doch wahrscheinlichere – Frühdatierung des Romans in die Jahre um 1200 weitreichende literarhistoriographische Konsequenzen hat.
Wichtigstes Ergebnis des Projekts aber ist mit der erstmals alle Überlieferungszeugen gemeinsam auswertenden kritischen Neuedition des Romans die Erstellung eines transparenten und benutzbaren Arbeitstextes. Er ersetzt die 1846 entstandene, schon von den Zeitgenossen wegen ihrer rigiden Konjekturalkritik vorsichtig aufgenommene editio princeps (Sommer), deren – durch besondere Umstände ihrer Entstehung bedingte – Schwierigkeiten durch einen verbreiteten unkritischen Nachdruck von 1898 (Golther) den Romantext noch für die Gegenwartsforschung vielfach verstellen. Wie schon die ältere Edition Sommers folgt auch die Neuausgabe als Leithandschrift der Heidelberger Handschrift (H) aus dem 15. Jahrhundert, für die nun eine vergleichsweise alte und gute Vorlage wahrscheinlich gemacht werden kann, und ergänzt ihren Text nötigenfalls durch die auf der gleichen Vorlage beruhende Berliner Schwesternhandschrift (B). Die älteren Fragmente (F, P) werden diesem Textzustand im synoptischen Abdruck beigegeben. Eine grundsätzliche editorische Entscheidung besteht darin, den an vielen Stellen erheblich gestört überlieferten Text zwar einerseits in Form eines diplomatischen Abdrucks der Heidelberger Handschrift zu dokumentieren, ihn aber andererseits durch Emendation und Konjektur lesbar zu machen.
Da die französische Vorlage, ‚Floire et Blancheflor‘, in der Form, in der sie Konrad Fleck vorgelegen haben muss, nicht erhalten ist, ist dabei auch zu editorischen Zwecken ein komparatistisches Vorgehen geboten und die Position des deutschen Romans im dichten Netz der europäischen Fassungen des Stoffs zu bestimmen. Drei altfranzösische, eine mittelniederländische und eine altspanische Fassung stehen über die verlorene Vorlage in indirekter Verbindung mit Konrad Flecks ‚Flore und Blanscheflur‘ und werfen, wie auch eine frühneuhochdeutsche Prosaauflösung des mittelhochdeutschen Textes, wiederholt Licht auf schwierige Stellen der Überlieferung.
(Projekt abgeschlossen, in Druckvorbereitung für die Reihe ‚Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters‘.)