Eva Rothenberger
(Univ. )
Status: Habilitation, geplanter Abschluss: 2027
Hans Folz zählt zweifelsohne zu den bedeutendsten Meistersingern vor Hans Sachs, der diesen in den Rang als einer der zwölf Meister der Nürnberger Singschule erhob. Neben der Komposition von 89 Meisterliedern sowohl in fremden als auch in zahlreichen eigenen Tönen folgen in der Folzschen Werkchronologie 12 Fastnachtspiele sowie 48 Reimpaardichtungen, darunter 20 Schwankmären; zwei fachliterarische Prosaschriften treten hinzu. Dieses umfangreiche und breitgefächerte Œuvre, das einen umfassenden Wissensstand auf dem Gebiet der akademischen Medizin, der Literatur und der lateinischen Sprache bezeugt, ist nicht nur aufgrund seiner thematischen und formalen Vielfältigkeit im ausgehenden 15. Jahrhundert einzigartig, sondern auch hinsichtlich seiner Produktionsweise und medialen Verbreitung: die Publikation der Werke in eigener Druckerei spiegelt ein feines Gespür für den literarischen Markt der Stadt Nürnberg sowie die literarischen Freiräume innerhalb der vom städtischen Rat zensierten Literaturausübung, die Folz sukzessive zu erweitern wusste. Auch wenn Folz in Einzeluntersuchungen zu Teilaspekten seines literarischen Werks sowie dessen Kontextualisierung in die Nürnberger Ratspolitik in den letzten Jahren verschiedentlich Beachtung fand, fehlt eine Würdigung des Gesamtœuvres. Eine systematische Aufbereitung und Konturierung des Autorprofils von Folz ist von bedeutendem Erkenntniswert: zum einen ist Folz als Verleger der eigenen literarischen Schriften wesentlicher Akteur des Medienumbruchs an der Schwelle zur Frühen Neuzeit, zum anderen lässt eine Untersuchung des Œuvres, das zwischen literarischer Traditionsanbindung und innovativer Emanzipation steht, unter poetologischer und gattungstypologischer Perspektive nicht zuletzt literatursoziologische Rückschlüsse auf das ausgehende Spätmittelalter insgesamt erwarten.
Im Fokus des Projekts steht die Kontinuität und die Adaptation der Literarisierung größerer Motivkomplexe innerhalb einer Gattung sowie über die Gattungsgrenzen hinweg. Unter dem Stichwort der Gelehrsamkeit interessieren etwa die Verhandlung dogmatischer Themenkomplexe oder die Literarisierung medizinischer Fachkenntnis, die sich Folz autodidaktisch aneignete. Darüber hinaus werden narratologische Konzepte, beispielsweise des Schwankes, der sowohl in den Meisterliedern als auch nach der literarischen Etablierung von Folz in Fastnachtspiel und in großem Umfang schließlich in der Reimpaardichtung auftritt, in den Blick genommen. Im Kontext der spezifischen Produktions- und Schaffensprozesse rücken erstens die Nachnutzung der eigenen Texte und die intertextuellen Querverbindungen zwischen Fastnachtspiel und Reimpaarreden sowie zwischen Fastnachtspiel und Meisterlied in den Fokus; zweitens wird die Kontextualisierung des literarischen Wirkens in die vom städtischen Rat gewährten literarischen Freiräume anhand der Texte selbst untersucht. Nimmt man das literarische Wirken von Folz in der vielfach beschworenen Opportunität ernst, so sind alle bedienten Gattungen in die größere These von der Publikumswirksamkeit einzuordnen und die Korrespondenz der Texte mit dem Zweck von erstens Erbauung und Unterhaltung und zweitens moraldidaktischer und theologischer Unterweisung zu systematisieren.