Christoph Schanze
(Univ. Gießen)
Status: Dissertation, geplanter Abschluss:
Das Dissertationsprojekt befasst sich mit den Strategien der Wissensvermittlung, die im Welschen Gast eingesetzt werden. Untersucht wird, wie Thomasin dabei vorgeht, dem Publikum seine Tugendlehren und sein diesbezügliches „Wissen“ zu vermitteln und welche Poetik der Lehrdichtung er dabei verfolgt.
In den letzten Jahren hat sich die Forschung zum Welschen Gast vor allem mit der Interaktion zwischen dem Text und dem Illustrationszyklus und den didaktischen Implikationen, die sich daraus ergeben, befasst. Dies ist zwar ein wichtiger Teilbereich von Thomasins Konzept, der auch in der geplanten Arbeit zu beleuchten ist. Im Vordergrund stehen aber die textimmanenten didaktischen Strategien. Verschiedene Arbeiten nehmen zwar immer wieder auf diese Bezug, eine umfassende Darstellung derselben fehlt jedoch.
Nach einführenden Überlegungen zum Thema „Wissen“, die vor allem darauf abzielen, einen für den Welschen Gast tragfähigen Wissensbegriff zu entwickeln, wird das II. Buch systematisch untersucht. Dieser Abschnitt des Gesamtwerkes bietet sich aufgrund der Sonderstellung des I. Buches dafür besonders an, weil Thomasin hier Schritt für Schritt seine didaktischen Verfahren entwickelt, die dann auch im restlichen Werk von Bedeutung sind.
An die Analyse des II. Buchs schließen sich mehrere Kapitel zu einzelnen thematischen Bereichen an, um möglichst alle Aspekte und Ebenen von Thomasins didaktischem Konzept zu erfassen und zu interpretieren. Dadurch wird zwangsweise der Blickwinkel stark erweitert, ein breiteres Umfeld ist einzubeziehen. Dabei muss zum einen die mittelhochdeutsche Lehrdichtung betrachtet werden, zum anderen ist der geistesgeschichtliche und intellektuelle Horizont einzubeziehen, in dem sich Thomasin bewegt, vor allem die Schriften der sog. Schule von Chartres, aber auch die Patristik und die lateinische Lehrdichtung. Da Thomasin Kleriker ist, ist auch die Predigttheorie zu beachten.
Das Ziel der Untersuchung ist also, Thomasins didaktische Vorgehensweisen und sein Ideal von Lehrdichtung darzustellen, einzuordnen und zu interpretieren.