Formen unzuverlässigen Erzählens in deutschsprachigen Erzähltexten des Mittelalters

Svenja Fahr

(Univ. Kiel)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2016

Unzuverlässiges Erzählen ist bereits seit der Antike bekannt, das Phänomen als solches erhielt jedoch erst im Jahr 1961 durch Wayne Clayson Booth in „The Rhetoric of Fiction“ eine Bezeichnung und erweckte in den folgenden Jahren immer wieder das Interesse der Forschung. Obwohl die Definition Booths beständig kritisiert und Defizite offengelegt wurden, war diese stets Bezugspunkt für alle folgenden Untersuchungen. Erst 2008 wagte sich Tom Kindt [Unzuverlässiges Erzählen und literarische Moderne. Eine Untersuchung der Romane von Ernst Weiß. Tübingen 2008 (Studien zur deutschen Literatur 184)] daran, eine auf Booth aufbauende Definition aufzustellen, die alte Defizite aufarbeitete und neue Akzente setzte – jedoch auch in dem Bewusstsein, keine gänzlich zufriedenstellende Lösung zu bieten. Dennoch stellt er, unterstützt durch Arbeiten von beispielsweise Nünning, Fludernik oder Müller, ein geeignetes Instrumentarium auf, um erzählerische Unzuverlässigkeit als solche identifizieren zu können.
Die Untersuchungen, die sich bisher hauptsächlich auf neuzeitliche Werke beschränken, werden nun ausgeweitet und dabei auf verschiedene Erzähltexte des deutschsprachigen Mittelalters angewandt.
In dem Promotionsprojekt soll untersucht werden, an welchen Stellen unzuverlässiges Erzählen auftritt und ob dieses einen besonderen Kontext erfordert. Weiter sollen die einzelnen Texte hinsichtlich ihrer Quantität und Qualität des unzuverlässigen Erzählens miteinander in Beziehung gesetzt werden. Auf diese Weise soll ein erster Ansatz für eine diachrone Betrachtung des unzuverlässigen Erzählens geboten und bereits eventuelle Unterschiede zum neuzeitlichen Auftreten der Textstrategie dargestellt werden.