Hybride Mären. Erzählen vom Liebestod in der mittelhochdeutschen Versnovellistik

Patrizia Späth

(Univ. Tübingen)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2017

Ende des 13. Jahrhunderts findet das beliebte literarische Motiv des Liebestods auch Eingang in die mittelhochdeutsche Versnovellistik: Dicht nacheinander entstehen Konrads von Würzburg ‚Herzmære‘, die drei Fassungen des ‚Schüler zu Paris‘, die ‚Frauentreue‘, ‚Hero und Leander‘ und ‚Pyramus und Thisbe‘. Diese Art der Auseinandersetzung mit dem Thema der passionierten Liebe in der mittelalterlichen Kurzepik ist neu und lässt sich weder aus der Tradition der deutschen Stricker-Mären noch aus der der altfranzösischen Fabliaux umstandslos herleiten. Wegen der schwierigen Einordnung in die Märentradition hat die Forschung diese „Liebestodgeschichten“ (Fischer 1983, S. 109) in erster Linie als Antwort auf die volkssprachigen höfischen Romane des deutschen Mittelalters verstanden. Allerdings bereitet gerade die enge Orientierung dieser Texte an den (spät)höfischen Romanen Schwierigkeiten bezüglich der Gattungszuordnung: Auch hieran entzündete sich der bis heute anhaltende Forschungsstreit über die Definition der Gattung Märe.

Ziel der Untersuchung ist es, diese kleine, durch eine „Ästhetik des Liebestods“ (Kiening 2007) gekennzeichnete Textgruppe besonders an der Schnittstelle zwischen Märe und Roman gattungstheoretisch neu zu bestimmen und damit auch die Gattungsfrage neu zu stellen. Die dem nachklassischen Roman bescheinigte Hybridität (Schulz 2000) scheint mindestens auch für die hier im Zentrum stehenden Mären konstitutiv zu sein und eine entsprechende Interpretationsmethodik zu erfordern. Das auf den ersten Blick ‚märenuntypische‘ Motiv des Liebestods produziert geradezu hybride Formen; neben Vermischungen mit der Gattung Roman sind auch Überlagerungen mit dem Minnesang oder der Marienklage festzustellen.