Ich was du, du wer ich. Die (Un-)Gleichheit von Achill und Patroklos in der mittelhoch-deutschen Trojadichtung

Vanessa Sternath

(Univ. Kassel)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2025

https://www.uni-kassel.de/fb02/institute/germanistik/fachgebiete/aeltere-deutsche-literaturwissenschaft-mediaevistik/promotionen

Achill und Patroklos sind ein Freundespaar mit Tradition: Bereits bei Homer wird ihre Freundschaft als ideal dargestellt, in der Spätantike und im Mittelalter entstehen zahlreiche lateinischsprachige und mittelhochdeutsche Bearbeitungen wie Herborts Liet von Troye und Konrads Trojanerkrieg, und selbst in der Neuzeit erfreut sich der Trojastoff weiter Verbreitung.

Um die Symmetrie dieser Freundschaftsbeziehung untersuchen und herausfinden zu können, wie sie funktioniert, wird vom Freundschaftsbegriff Ciceros ausgegangen: Im Laelius de amicitia, der im Mittelalter zur Schullektüre gehörte, betont der Rhetor und Philosoph, wie wichtig es ist, selbst ein guter Mensch zu sein, bevor man sich einen Freund sucht. Denn nur dann könne man diesen so behandeln wie sich selbst, was das Wesen der Freundschaft ausmache. In diesem Sinne ist der Freund ein alter idem, ein „anderes Selbst“. In einem zweiten Schritt wird diese Theorie auf die mittelhochdeutschen Trojatexte angewandt und herausgearbeitet, was sich daraus für die (A-)Symmetrie der Freundschaft von Achill und Patroklos ergibt und welche Bedeutung die Umwälzungen von heroischer Kriegergefolgschaft zur höfischen Kultur dafür haben. Ebenso gilt zu untersuchen, ob die beiden Freunde je ein Defizit haben, das der andere ausgleicht, und ob Achill und Patroklos eigentlich eine in sich widerspruchsvolle Figur sind, die aber in zwei verschiedene Figuren aufgespaltet wurde, sie also die zwei Seiten eines alter idem darstellen.

Gerade die Mediävistik steht an einer Gelenkstelle, von der aus man in beide Richtungen blicken kann: Eine umfassende Analyse des Themas ist nur unter Zuziehung der lateinischen Prätexte, der mittelhochdeutschen Bearbeitungen und der dadurch zustande kommenden Bereitstellung des Verständnishorizontes der neuzeitlichen Versionen möglich, was die bisherige Forschung vernachlässigt.