Verlorene Erzählwelten. Fragmentarisch überlieferte Artusromane des deutschsprachigen Mittelalters. Edition, Untersuchung, gattungsgeschichtliche Perspektiven

Donnet Tanguy

(Univ. Lausanne)

Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2027

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Der Artusroman gehört zu den meistuntersuchten Gattungen der mittelalterlichen deutschen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts. Die kanonischen Texte wie Hartmanns von Aue ‚Erec‘ und ‚Iwein‘ oder Wolframs von Eschenbach ‚Parzival‘ sind, wie auch die in den letzten Jahrzehnten zunehmend erschlossenen sogenannten ‚nachklassischen‘ Romane, in vollständigen oder annähernd vollständigen Handschriften erhalten. Daneben liegt jedoch ein Korpus von mindestens acht fragmentarisch überlieferten Artusromanen aus dem 13. Jahrhundert vor, die mit einzelnen Ausnahmen in der Forschung kaum Beachtung fanden – „verlorene Erzählwelten“, die gleichermaßen eine Blindstelle und ein methodisches Problem der mediävistischen Literaturgeschichtsschreibung bilden: ‚Blanschandin‘, ‚Edolanz‘, der ‚Mitteldeutsche Erec‘, ‚Kliges‘, der ‚Loccumer Artusroman‘, ‚Manuel und Amande‘, ‚Parcheval‘, ‚Segremors‘; möglicherweise sind auch ‚Der Mantel‘, bei dem es sich allerdings um das Fragment einer kürzeren Erzählung handeln könnte, sowie ‚Abor und das Meerweib‘, dessen Gattungszugehörigkeit unklar ist, hinzuzurechnen. Mit Ausnahme des kürzlich neu edierten ‚Parcheval‘, des ‚Mantels‘ und des ‚Mitteldeutschen Erec‘ liegt für keines dieser Romanfragmente eine neueren wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition vor. Im Rahmen meines geplanten Dissertationsprojekts soll das Korpus der fragmentarisch überlieferten Artusromane in einer zweisprachigen Studienausgabe editorisch aufbereitet und literaturgeschichtlich neu erschlossen werden, um anschließend die Gattungsentwicklung des deutschsprachigen Artusromans auf veränderter Grundlage neu zu diskutieren. Dabei wird besonderer Wert auf die komparatistische Perspektive gelegt. Die Mehrzahl der Romane verarbeitet oder bezieht sich auf französischsprachige Vorlagen, darunter solche, die in der germanistischen Fachdiskussion bisher kaum eine Rolle gespielt haben. Für die literatur- und gattungsgeschichtliche Erschließung des erweiterten deutschsprachigen Korpus ist es daher unerlässlich, nicht nur die französischen Quellen, sondern auch Forschungsergebnisse der französischsprachigen romanistischen Mediävistik einzubeziehen.