Angila Vetter
(Univ. Augsburg)
Status: Dissertation, geplanter Abschluss: 2016
Die untersuchten Textzeugen zum ‚Willehalm‘ bezeugen die Kompilierung mit anderen, nicht dem Zyklus zuzurechnenden Texten zwar als eine seltene, aber für beinahe den gesamten Überlieferungszeitraum nachzuweisende Form der Textzusammenstellung von Wolframs Fragment gebliebenen Epos.
In den Zyklus-Handschriften des ‚Willehalm‘ manifestieren sich die unvollendet gebliebene Geschichte und die sie ergänzenden Vor- und Nachgeschichten sowohl als narrativer Zyklus als auch als materielle Einheit. Die in den Sammlungsverbünden versammelten Texte sind der Chronologie des durch die Handschrift evozierten übergeordneten Narrativs folgend angeordnet. Stets ist die Reihenfolge ‚Arabel‘ – ‚Willehalm‘ – ‚Rennewart‘. Auch für die Sammelhandschriften, die den ‚Willehalm‘ nicht mit den Ergänzungen, sondern mit anderen Texten überliefern, gilt, dass das, was „zwischen den Deckeln eines handschriftlichen Kodex’“ (HERWEG 2014) zusammengebunden wurde, eine materielle Einheit bildet und die damit erstellte Textabfolge als (narrative) Chronologie zu werten ist. Auch hier stellt sich die Frage nach der kontextuellen Lektüre dieser Textverbünde.
Die Untersuchung arbeitet sowohl diachron, indem sie sich dem dynamischen Prozess der Überlieferung der mit dem ‚Willehalm‘ kompilierten Texte, ihrer Textgeschichte, zuwendet, als auch synchron, indem sie die jeweilige Retextualisierung dieser Texte mit dem ‚Willehalm‘ in Sammlungsverbünden als Aktualisierung begreift, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort für die (präsumtiven) Rezipienten Gültigkeit besessen hat. Die materielle Analyse der ‚Willehalm‘-Sammelhandschriften und die über den Kontext der Texträger evozierten Lektüren der Textgeschichten widmen sich der Exemplifizierung einer bislang von der Forschung wenig beachteten Form der Überlieferung des ‚Willehalm‘.